Das Kirchenjahr – Buß und Bettag
Erleben, dass Erinnerung frei macht
Buß- und Bettag
Schon in der Antike und im Mittelalter waren Bußtage üblich. Sie wurden in Kriegs- und Notzeiten von der Obrigkeit verordnet, um den Zorn Gottes abzuwenden, denn Kriegs- und Notzeiten galten als Strafe Gottes für einen bösen Lebenswandel. An den Bußtagen sollte das ganze Volk vor Gott treten, sich öffentlich vom Bösen abkehren und sich ganz bewusst wieder Gott zuwenden. Durch Sündenbekenntnis und die Verpflichtung, Gottes Willen wieder einzuhalten, sollte Gottes Zuneigung und Vergebung erbeten, die Not abgewendet und das allgemeine Wohl wieder hergestellt werden. Als Zeichen der Buße und Hingebung wurde an diesem Tag gefastet.
Als Kaiser Karl V. angesichts der Türkengefahr das Reich 1532 zur Buße aufrief, da nahmen auch evangelische Reichsstädte (beispielsweise Straßburg) daran teil. In den Pest- und Kriegsjahren des Dreißigjährigen Krieges häuften sich in Deutschland evangelische Landesbußtage. 1852 schlug die Konferenz der Landeskirchen in Eisenach den Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres als gemeinsamen Bußtag vor.
Unter dem Eindruck des Dritten Reiches zerbrach der Gedanke, Staat und Kirche könnten sich an einem Bußtag gemeinsam vor und unter Gott beugen. Aus dem staatlichen Buß- und Bettag wurde ein rein kirchlicher Feiertag, bei dem die persönliche Buße stärker herausgestellt wurde. Es wurde Brauch, diesen Tag zum Abendmahlsgang und zur individuellen Gewissensprüfung zu nutzen.
Dennoch blieb auch der öffentliche Charakter dieses Tages erhalten. Die Kirche sucht an diesem Tag, Gesellschaft und Staat an Gottes Gebote zu erinnern, und will so ihrer gesellschaftlichen Mitverantwortung gerecht werden. Das Thema Buße (= Umkehr, Umorientierung, Besserung, Wiedergutmachung) scheint heute veraltet zu sein. Doch Sich-Bessern und das Leben ändern, um Krankheit, Not und Verderben zu entgehen, wollen Menschen auch heute: Die einen wollen ihre Ernährung ändern und abnehmen; die anderen wollen mit dem Rauchen oder mit dem Trinken aufhören; wieder andere wollen weniger arbeiten und sich mehr ihren Familien widmen. Hinter diesen Bemühungen steht zum einen die Angst vor Strafe und zum anderen das Wissen, dass man eigentlich anders leben müsste.
Martin Luther bestritt, dass Menschen durch Androhung von Strafe und somit aus Angst besser würden. Er bestritt auch, dass Menschen aus eigener Kraft ihr Leben grundlegend zum Besseren verändern könnten. Durch die Bibel und das eigene Leben hatte er entdeckt, dass Gott die Menschen nicht durch die Androhung harter Strafen ändern will, sondern durch die unbedingte Anerkennung der Person – allerdings nicht der Taten. Von dem Gott der Bibel her gesehen sind also nicht Angst, sondern Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen die entscheidende Voraussetzung für eine grundlegende Umorientierung des Lebens.
Deshalb ist das Hauptthema der evangelischen Buß- und Beilage nicht das, was Menschen eigentlich tun sollten, auch nicht die Androhung von Gottes Gericht und Strafe, sondern die Botschaft, dass Gott die Menschen grundsätzlich akzeptiert und ihnen immer wieder die Chance gibt, neu anzufangen, auch wenn sie versagt haben. Die Menschen können deshalb ihr Versagen öffentlich aussprechen und ihrem Leben ehrlich gegenübertreten.
Auch Juden kennen eine Art Buß- und Bettag. Es ist Jom Kippur, das Versöhnungsfest. Es wird im September/Oktober gefeiert. An diesem Tag gedenken Juden ihrer Sünden und bitten um Versöhnung. Es gilt als eine Sünde, zu Jom Kippur mit irgend jemandem zerstritten zu sein. Jom Kippur ist ein strikter Fasten- und Ruhetag, sogar Radio und Telefon schweigen. Wer nicht in die Synagoge geht, bleibt ruhig zu Hause. Am Vorabend gibt es ein üppiges Abendessen, zum Ende des Fastentages wird das Schofar, das Widderhorn, geblasen. Im alten Israel war Jom Kippur der einzige Tag im Jahr, an dem der Hohepriester das Allerheiligste im Tempel betrat.
Zum Ende des Kirchenjahres ist die liturgische Farbe grün.
Nur am Buß- und Bettag ist sie violett.