Paulus (13)

Bildungsschatz Bibel

13. Paulus
(5 n.Chr. - 60 n.Chr.)

| 1. Thessalonicherbrief | 2. Thessalonicherbrief | Galaterbrief | Philipperbrief | 1. Korintherbrief | 2. Korintherbrief | 1. Timotheusbrief | 2. Timotheusbrief | Titusbrief | Epheserbrief | Kolosserbrief | Philemonbrief | Römerbrief |

Eines der wichtigsten Ereignisse des Christentums war die Bekehrung des Paulus (jüdisch Saulus) vor den Toren von Damaskus zum Christentum. Er wurde ein unermüdlicher und überzeugter Verkündiger des Glaubens und öffnete auf drei Missionsreisen die hellenistische Welt für das Christentum.

Mindestens sieben neutestamentliche Briefe wurden von Paulus verfasst, sechs weitere werden ihm zumindest zugeschrieben (1. Tim; 2. Tim; Tit; 2. Thes, Kol, Eph). Die ältesten Briefe sind möglicherweise 50 n. Chr. entstanden, also 10 Jahre vor dem ersten Evangelium. Sie sind somit die ältesten neutestamentlichen Schriften überhaupt.

Viele Briefe behandeln Themen, die gerade in den jeweiligen Gemeinden aktuell waren. Sie sind also nicht als theologische Traktate zu sehen, sondern als reale Konversation.
Aber die Paulusbriefe diskutieren auch theologische Themen, welche die Kirche als Ganzes angehen. Zentral ist dabei der Gedanke von der Erlösung durch Christi Opfertod und die Bedeutung des Glaubens an Gott.

Die Paulusbriefe sind unter den Gemeinden weitergegeben worden und wurden bald zur normativen Lehre. Um 100 n. Chr. gab es bereits eine Sammlung von Paulusbriefen.

Motiv: Gericht und Rechtfertigung

Der Mensch wird für seine Taten vor dem Gerichtsforum Gottes und vor seinem Gewissen zur Verantwortung gezogen. Es ist klar, dass kein Mensch vor diesem Gericht bestehen kann.

Gott erscheint aber nicht nur als Richter, sondern auch als Anwalt der Menschen, der sie retten will. So steht dem Gerichtsmotiv eine unvergleichbare Lebensbejahung gegenüber. Der Umschwung von Vernichtung zu grundloser Gnade findet sich in der ganzen Bibel, keineswegs nur im NT: Sündenfall, Sintflut, Sodom und Gomorra (Gen 18,16), bei Hosea und Jona.

Auch im Neuen Testament wird deutlich, dass alle Menschen unter dem Zorn Gottes leben, weil sie sich von Gott abgewandt haben. Aber um des einen Menschen Willen wird der Zorn in ‘Gerechtigkeit’ verwandelt. ‚Gerechtigkeit‘ bedeutet hier keine neutrale Gerechtigkeit, die den Guten belohnt und den Schlechten bestraft, sondern die parteiische Gerechtigkeit, die dem Schwachen und Armen hilft, ja, sogar dem Sünder. Rechtfertigung meint hier also: recht machen, richten, aufrichten, wiederherstellen!

Im Rechtfertigungsmotiv steckt etwas von der Unverwüstlichkeit des Lebens, das trotz allen Scheiterns ein Lebensrecht vor Gott hat.

Paulus: Kurzbiografie

 ca. 5 n.Chr.?: Geboren in Tarsus in Kilikien
                als Sohn jüdischer Eltern;
                lernt Zeltmacher;
                schließt sich den Pharisäern an
 ca.32:         Bekehrungserlebnis (Apg.9,1ff.)
 35:            Erster Besuch bei Petrus in Jerusalem
                (Gal.1,18)
 35-48:         1.Missionsreise durch Syrien und Kilikien
                (Gal.1,22)
 48:            Apostelkonzil in Jerusalem
                (Gal.2,1-10; Apg.15)
 49-51:         2.Missionsreise (Apg.15,36 - 18,22)
 52-55/6:       3.Missionsreise; davon 53-55 in Ephesus
                (Apg.18,24 -  21,26)
 56-58:         Gefangenschaft in Jerusalem und Caesarea
                (Apg.21,27 - 26,32)
 ca. 58.        Überführung nach Rom (Apg.27 - 28)
 ca. 60 (64?):  Tod in Rom

Die Paulusbriefe

sind, abgesehen vom Römerbrief, an Gemeinden gerichtet, die Paulus gegründet hat und die er nun in seiner Abwesenheit schriftlich berät. Häufig greift er dabei Fragen auf, die in den Gemeinden zu Spannungen geführt haben; teilweise (Galater;1./2.Korinther) rechtfertigt er auch seine Botschaft, nachdem andere christliche Missionare sie in Frage gestellt haben. Zentraler Streitpunkt ist, ob das jüdische Gesetz (Beschneidung, Speise- und Reinheitsvorschriften) auch für Heidenchristen gilt. Paulus lehrt: Der Christ ist frei vom Gesetz; er wird allein durch den Glauben an Jesus Christus gerecht.

Die Paulusbriefe sind unter den Gemeinden weitergegeben worden und galten bald als normative christliche Lehre; um 100 existierte eine Sammlung der Paulusbriefe. Nicht alle gelten heute als authentisch: die sog.Pastoralbriefe (1./2.Timotheus,Titus) stammen vermutlich von Paulusschülern; sie setzen eine konsolidierte kirchliche Situation voraus, in der es bereits Bischöfe als Gemeindeleiter gibt (1.Tim.3,1; Tit.1,7). Zu den “Pseudepigraphen” zählt auch der 2.Thessalonicherbrief; umstritten sind der Kolosser und der Epheserbrief. Als echt gelten: 1.Thess.,Gal., Phil., 1./2.Kor., Röm. und Phlm.

Umgekehrt sind nicht alle Paulusbriefe erhalten: 1.Kor.5,9 spricht von einem früheren Brief an die Korinther; Kol.4,6, falls authentisch, nennt einen Brief an Laodizea.

Der Römerbrief (Röm.)

Paulus schrieb den Brief vermutlich im Winter 55/6 in Korinth, während er sich auf einen Besuch in Jerusalem vorbereitete. Er wollte dort die Kollekte abgeben, die er in seinen Gemeinden für die Urgemeinde gesammelt hatte (2.Kor.8-9), und dann weiter nach Rom und Spanien reisen. Um Rückendeckung für seine Missionsarbeit im Westen zu erhalten, schreibt er zuvor diesen Brief, mit dem er sich der Gemeinde vorstellt. Dies ist das einzige Mal, dass Paulus an eine ihm fremde (und nicht von ihm selbst gegründete) Gemeinde schreibt, von daher orientiert er sich nicht an konkreten Problemen und Anfragen, sondern gibt eine umfassende Darstellung seiner Botschaft.

Gliederung:
 1,1  - 17    Einleitung und Themenstellung
 1,18 - 3,20  Heiden und Juden stehen unter Gottes Zorn
 3,21 - 8,38  Gerechtigkeit aus Glauben, nicht durch Werke
 9    - 11    Gottes Weg mit Israel
 12   - 15    Leben als "vernünftiger Gottesdienst"
 16           Abschluss

Im Mittelpunkt steht die Botschaft von der Gerechtigkeit aus Glauben, die nicht verdient, sondern von Gott geschenkt ist (3,21-28). So wie durch den Sündenfall Adams alle Menschen unter der Herrschaft der Sünde stehen, sind sie, wenn sie glauben, durch den Sühnetod Christi frei geworden vom Zorn Gottes (Kap.5), von der Sünde (Kap.6), vom Gesetz (Kap.7) und vom Tod (Kap.S). Sie können darum als neue Menschen leben, die nicht dem Fleisch (d.h. ihren natürlichen Trieben), sondern dem Geist (Gottes) unterworfen sind (“Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn der Geist Gottes in euch wohnt” – 8,9).

Luther hat diesen Gedanken mit dem Bild verdeutlich, dass der Mensch niemals Herr seines Lebens ist, sondern immer entweder von Gott oder dem Teufel “geritten” wird. Daraus ergibt sich die Frage der
Prädestination (9,14-29).

In Kap.9-11 setzt sich Paulus mit der Frage auseinander, was denn nun aus den Juden wird, nachdem sie in der Mehrheit Jesus als den Christus abgelehnt haben. Seine Antwort: wir Christen haben kein Recht, die Juden zu verurteilen. Sie sind immer noch das Volk des alten Bundes und damit unsere älteren Geschwister; wenn erst “die Fülle der Heiden” gewonnen ist, wird Gott sie auch zum Heil führen (11,25f).

Konkretionen des neuen Lebens im Geist werden in Kap. 12-15 genannt: Umgang mit dem (heidnischen) Staat (“Seid untertan der Obrigkeit”, 13,1); gegenseitige Annahme der Schwachen und Starken im Glauben (14-15). Kap. 16 mit seiner langen Grussliste ist wohl irrtümlich dem Römerbrief zuordnet worden, den woher sollte Paulus alle diese Menschen kennen, wenn er nie in der Gemeinde war?

Der Römerbrief ist mit seiner Rechtfertigungslehre zum Hauptzeugen der Reformation geworden. Luther hatte sein “Turmerlebnis” beim Studium dieser Schrift. genauer durch Röm. 1,17. Er schreibt dazu:
“Da fing ich an, die Gerechtigkeit Gottes zu begreifen, kraft derer der Gerechte durch Gottes Gnade selig wird, nämlich durch den Glauben; ich merkte, dass die Gerechtigkeit Gottes … in dem passiven Sinn zu verstehen ist, dass Gott in seiner Barmherzigkeit uns durch den Glauben gerecht spricht, wie geschrieben steht (Hab.2.4): ‘Der Gerechte lebt aus Glauben.’ Da fühlte ich mich geradezu wie neugeboren. Das Tor war aufgetan. Ich war ins Paradies eingetreten. Da schien mir mit einem Schlag die ganze Heilige Schrift ein anderes Gesicht zu bekommen.”

Der 1.Thessalonicherbrief (1.Thess.)

Thessalonich (heute Saloniki) war die Hauptstadt der Provinz Makedonien und eine bedeutende Hafen- und Handelsstadt. Paulus hat die Gemeinde bei seiner 2.Missionsreise ca.49 gegründet. Sie bestand mehrheitlich aus Heidenchristen (1.Thess.1,9). Offenbar ist es zu massiven Anfeindungen sowohl durch Juden als auch durch Heiden gekommen, die die Thessalonicher aber tapfer überstanden haben (1.Thess.3,6). Paulus erfährt davon durch Timotheus, den er während seines Aufenthaltes in Athen dorthin zurückgeschickt hatte, und schreibt der Gemeinde einen aufmunternden Brief.

Er blickt zunächst sehr ausführlich auf seine Zeit in Thessalonich zurück (Kap.1-3). Nach einer Ermahnung zur Heiligung (Kap.4) geht er dann auf Fragen zur Wiederkunft Christi und zur Auferstehung ein: der Tod einiger Gemeindeglieder hat zu der Frage geführt, ob die Weiterlebenden bei der Wiederkunft Christi den Verstorbenen zuvorkommen werden. Nein, schreibt Paulus, beides geschieht gleichzeitig: die Lebenden werden verwandelt zum ewigen Leben, die Toten werden dazu auferstehen (4,13-18). Der 1.Thess. zeigt, dass zu dieser Zeit noch eine starke Naherwartung in den Gemeinden bestand.

Der Brief ist während der 2.Missionsreise, vermutlich noch im Jahr 49, entstanden und damit wohl der älteste Paulusbrief.

Der Galaterbrief (Gal.)

Paulus schreibt an verschiedene Gemeinden in der kleinasiatischen Landschaft Galatien, die er bei seiner zweiten Missionsreise gegründet hatte (Apg 16,6). In der Zwischenzeit sind Judaisten (Judenchristen) dort gewesen, die die Christen dort auf das jüdische Gesetz inklusive Beschneidung (5,2), Einhaltung jüdischer Feste (4,10) und Befolgen der Speise- und Reinheitsvorschriften (2,11ff.) verpflichtet haben.

Paulus muss sich nun mit zwei Vorwürfen auseinandersetzen (1,10-12):
(1) er habe den Galatern nach dem Munde geredet, indem er ihnen das jüdische Gesetz erspart habe; sein Evangelium sei also “nach menschlicher Art”;
(2) er sei kein richtiger Apostel, da er nicht durch Christus, sondern von Menschen berufen worden sei.

Paulus antwortet darauf mit kämpferischer Schärfe. Zum zweiten Vorwurf weist er darauf hin, dass auch er eine Offenbarung Christi erlebt habe und somit von Gott selbst zum Apostel berufen worden sei (1,1.16). Seine Selbständigkeit geht so weit, dass er sogar Petrus widersprochen hat, als es um die Verbindlichkeit des Gesetzes ging (2,11-14). Sehr ausführlich begründet Paulus dann in Kap.3-4, dass nicht die Werke des Gesetzes, sondern der Glaube den Menschen gerecht macht; Beispiel dafür ist Abraham (4,21-31). In Kap. 5-6 folgt ein Aufruf, die Freiheit vom Gesetz nicht leichtfertig aufzugeben, und eine Paränese (Ermahnung), dem Glauben gemäss zu leben.

Im Galaterbrief wird erstmalig das Thema der Rechtfertigung aus Glauben abgehandelt, das Paulus dann im Römerbrief zu einer umfassenden Rechtfertigungslehre weiterentwickelt hat.

Entstehungszeit: wohl während des Aufenthaltes in Ephesus 53-55 n.Chr. (s.Philipperbrief).

Der Philipperbrief (Phil.)

Die Stadt Philippi war nach der dortigen Schlacht im Jahr 42 v. Chr. mit römischen Veteranen besiedelt worden und galt als besonders kaisertreu. Paulus hatte die Gemeinde während seiner zweiten Missionsreise gegründet, war aber sehr schnell gezwungen gewesen, die Stadt wieder zu verlassen (Apg. 16, 11-17,1). Er blieb mit den dortigen Christen besonders verbunden und wurde von ihnen finanziell unterstützt (Phil.4,15f.).

Paulus schreibt den Brief, während er (vermutlich in Ephesus) im Gefängnis sitzt und auf seinen Prozess wartet (1,13). Er berichtet davon in Kap. 1-2. Im Christushymnus Phil.2,5-11 macht er Jesus zum Vorbild für das Leben des Christen gemäß dem Wort “Wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden”. In Kap.3 setzt unvermittelt eine scharfe Kritik an Irrlehrern ein, die er “Feinde des Kreuzes Christi” nennt (3,18). Offenbar geht es auch hier um Judaisten, die von den Philippern verlangen, sich beschneiden zu lassen und auch sonst das jüdische Gesetz einzuhalten (3,3). Dagegen weist er daraufhin, dass er selbst – obwohl er das Gesetz untadelig eingehalten hat – die Gerechtigkeit aus dem Gesetz gegen die Glaubensgerechtigkeit eingetauscht hat (3,8f.). Er warnt allerdings davor, so zu tun, als ob der Christ schon vollkommen wäre: das Ziel wird er erst erreichen, wenn Christus ihn am Ende verwandeln wird; aber er ist auf dem Weg (“Ich strecke mich nach dem, was vorne ist,” 3,13). Kap.4 beendet den Brief mit einem Aufruf zur Freude (4,4-7) und einem Dank für die Unterstützung durch die dortige Gemeinde, die ihn über Epaphroditus erreicht hat.

Zeit: Geschrieben wohl während seines Aufenthaltes in Ephesus 53-55.

Der 1.Korintherbrief (1.Kor.)

Paulus hat die Gemeinde in Korinth während seines Aufenthaltes 49-51 gegründet. Der Brief entstand wohl während seines Aufenthaltes in Ephesus im Frühjahr 55 (16,8).
Durch die Leute der Chloe (1,11) hat Paulus die Nachricht erhalten, dass sich in Korinth konkurrierende Gruppen gebildet haben (“Paulus-, Apollos-, Petruspartei”, 1,11f.). Gleichzeitig hat er einen Brief der Gemeinde bekommen, die ihn um Antwort zu praktischen Fragen des Gemeindelebens bittet (7,1).

Paulus fordert zunächst zur Einigkeit auf: der Leib Christi darf nicht zerteilt werden (1,13). Dann behandelt er ausführlich die ethischen Themen Unzucht, Rechtssachen unter Christen, Ehe und Ehelosigkeit, Essen von Götzenopferfleisch (Kap.5-8). Kap.10-11 befassen sich mit Gottesdienst und Abendmahl, wobei es auch um die Rolle der Frau geht (11,1-16). In Kap.12-14 behandelt er die Charismen (Gnadengaben, Wirkungen des Heiligen Geistes), wobei er betont, dass die Liebe wichtiger ist als ekstatische Fähigkeiten wie Prophetie oder Zungenrede (1.Kor.13 = Hohelied der Liebe). Kap.15 behandelt programmatisch die Frage der Auferstehung, während es in Kap. 16 noch einmal um die Kollekte für die Urgemeinde in Jerusalem geht.

Hauptproblem der Korinther ist das schwärmerische Missverständnis, als Christen bereits den Stand der Vollkommenheit erreicht zu haben und vollkommen erlöst zu sein (4,8). Daraus ergibt sich für die einen, dass sie völlig enthaltsam leben (7,1-5), während andere meinen, nun sei alles erlaubt (6,12). Paulus fordert zur Mäßigung auf: Alles ist erlaubt, aber nicht alles ist heilsam! Auch ist die Auferstehung noch nicht geschehen, sondern sie steht noch aus. Bis dahin nehmen Christen Teil am Kreuz Christi. In 1.Kor.1, 18-25 wird das ganze Evangelium als das Wort vom Kreuz bezeichnet: mit der Auferweckung des Gekreuzigten hat Gott alle Wertmaßstäbe der Welt umgekehrt; das Niedrige wird erhöht, menschliche Weisheit ist Torheit, Schwäche ist Stärke.

Der 2.Korintherbrief (2.Kor.)

Nach Abfassung des 1.Kor. hat sich das Verhältnis zwischen Paulus und der Gemeinde offensichtlich verschlechtert: andere Missionare sind nach Korinth gekommen, offenbar Judaisten, die seine Legitimität als Apostel in Frage gestellt haben (13,3). Paulus muss sich rechtfertigen und tut das sehr ausführlich in Kap.2,14-7,4. Darauf folgen versöhnliche Töne, denen überraschenderweise scharfe Angriffe in Kap. 10-13 folgen. Wie lässt sich dieser Bruch erklären?

Ausleger gehen davon aus, dass der 2.Kor. aus drei verschiedenen Briefen zusammengesetzt ist, die versehentlich in falscher Reihenfolge zusammengefügt wurden. Danach ergibt sich folgender Ablauf:
(1) Judenchristen verunsichern die korinthische Gemeinde. Paulus schreibt daraufhin von Ephesus aus einen Brief, in dem er seine Legitimität als Apostel begründet (“Apologie” 2,14-7,4).
(2) Paulus macht einen kurzen Besuch in Korinth, um die Schwierigkeiten zu klären. Er wird dabei aber von einem Gemeindeglied scharf angegriffen (7,12) und schreibt, nach Ephesus zurückgekehrt, einen bitteren Brief (“Tränenbrief”: 2,4!), der in Teilen in Kap.10-13 erhalten geblieben ist.
(3) Titus bringt Paulus die Nachricht, dass die Korinther den Schuldigen bestraft haben (7,6; 2,6). Er schreibt daraufhin einen versöhnlichen Brief (“Versöhnungsbrief”1,1 – 2,13).

Entstehungszeit der rasch aufeinanderfolgenden Briefe: 55-56.

Der Epheserbrief (Eph.)

In einer eigentümlich feierlichen, oft gottesdienstlich wirkenden Sprache handelt dieser Brief von der weltweiten Kirche aus Juden und Heiden: Christus hat den Zaun zwischen ihnen abgebrochen, die Heiden sind nun auch Teil des Volkes Gottes (2,11-22). Die Kirche wird dabei als Teil des kosmische Dimensionen erreichenden himmlischen Christus verstanden (1,10; 3,6).

In Kap.4-6 folgt eine Paränese (Ermahnung, ethische Unterweisung), in der die Christen zur Einigkeit und zu einem vorbildlichen Leben aufgefordert werden. Die Haustafel in 5,21 – 6,9 gibt Männern und Frauen, Eltern und Kindern, Herren und Sklaven Anweisungen zum standesgemäßen Verhalten, wie sie auch in der nichtchristlichen Literatur dieser Zeit vorkommen.

Die Ortsangabe “Ephesus” fehlt in wichtigen alten Handschriften; auch ist wenig zu spüren von der konkreten Situation der Gemeinde. Manche theologischen Vorstellungen knüpfen an Paulus an, andere sind sonst bei ihm nicht zu finden. Viele Ausleger gehen deshalb davon aus, dass der Brief auf einen Paulusschüler zurückgeht.

Der Kolosserbrief (Kol.)

Die Gemeinde Kolossä in Kleinasien wurde wahrscheinlich vom Paulusschüler Epaphras gegründet; Paulus kennt sie nicht persönlich (1,7; 2,1). Im Mittelpunkt des Briefes steht die Auseinandersetzung mit Irrlehrern, die Engelmächte als Hüter der Weltordnung verehren. Der Verfasser betont dagegen, dass Christus “die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet” hat (2,15). In der Taufe sind die Christen fremden Mächten abgestorben (2,12). Entsprechend sind sie auch frei von gesetzlichen Forderungen wie Askese, Beachtung heiliger Zeiten und Reinheitsvorschriften (2,16).

Woher kommt diese Irrlehre? Hier zeigt sich offenbar der Einfluss von östlichen Mysterienreligionen, die in dieser Zeit parallel zum Christentum einen Siegeszug durch die hellenistische Welt begonnen haben. Ähnlich wie im Eph. wird Christus als Herrscher des Kosmos dagegengestellt (1,15-20). Auch in diesem Fall ist umstritten, ob der Brief auf Paulus oder einen Paulusschüler zurückgeht.

Der Philemonbrief (Phlm.)

besteht nur aus einem Kapitel und hat nur ein konkretes Anliegen: Paulus sendet den entlaufenen Sklaven Onesimus an seinen Herrn Philemon zurück. Da beide Christen sind und damit Brüder, bittet er den Herrn, seinen Sklaven freundlich aufzunehmen (V.8-20). Paulus hat den Brief vermutlich während seiner Gefangenschaft in Ephesus geschrieben; der Empfänger dürfte zur Gemeinde in Kolossä gehört haben (Kol.4,9).

Der 2.Thessalonicherbrief (2.Thess.)

ist zu einer Zeit entstanden, als die Naherwartung der Christen nachliess:
anders als in 1.Thess.4,13ff. wird gelehrt, dass Christus noch nicht so bald zurückkehrt: erst muss der “Mensch der Bosheit” kommen (2,3). Der 2.Thess. wirkt an vielen Stellen wie ein Kommentar zum ersten Brief, geschrieben in der Absicht, Missverständnisse zu korrigieren und das Einreißen “unordentlicher Zustände” (3,6ff.) zu verhindern. Anders als die übrigen Paulusbriefe enthält er eine ausführliche apokalyptische Schilderung der Geschehnisse am Ende der Zeit. Entstanden: wohl Ende des 1.Jahrhunderts.

Die Pastoralbriefe (1./2.Tim.,Tit.)

haben ihren Namen dadurch erhalten, dass sie an Schüler des Paulus gerichtet sind und ihnen Ratschläge für den Umgang mit ihren Gemeinden geben. Dabei zeigt sich eine veränderte Gemeindestruktur: statt der früheren ehrenamtlichen Dienste (Charismen) gibt es nun feste Ämter wie das des Bischofs (episkopos), Diakons (diakonos) und Ältesten (presbyteros). Die Briefe lassen nichts mehr von Verfolgung durch den römischen Staat spüren, sondern atmen die Atmosphäre bürgerlicher Rechtschaffenheit (“dass wir ein ruhiges und stilles Leben führen”, 1.Tim.2,2). Sie sind Ausdruck einer konsolidierten Kirche, die auch keine erkennbare Mission mehr betreibt. Viele Ausleger gehen davon aus, dass sie Anfang des 2.Jahrhunderts entstanden sind als Versuch, die Autorität des Paulus gegen eindringende Irrlehren in Anspruch zu nehmen.

Der 1.Timotheusbrief (1.Tim.)

ist als Mahnung an Timotheus gestaltet, seine Gemeinde zu einem angemessenen christlichen Leben anzuhalten und Irrlehren entgegenzutreten. Timotheus wird in Apg.16,1-3 als Sohn einer Judenchristin und eines heidnischen Vaters vorgestellt; er begleitete Paulus bei Missionsreisen und reiste als sein Bote nach Thessalonich und Philippi. Nach 1.Tim.1,3 hat er nun die Leitung der Gemeinde in Ephesus übernommen. In dieser Funktion soll er darauf achten, dass sich die Amtsträger der Gemeinde, Bischöfe und Diakone, angemessen verhalten (“Ämterspiegel” 1.Tim.3) und Männer und Frauen, Sklaven, Witwen und Älteste ihren Rollen entsprechen (1.Tim.2,8-15; 5,1 – 6,2). Gegenüber der spekulativen Theologie der Irrlehrer soll er Wert auf praktische Frömmigkeit und Selbstgenügsamkeit legen (6,6).

Der 2.Timotheusbrief (2.Tim.)

ist noch stärker als persönliche Mahnung an Timotheus formuliert. Wiederum wird er zur Bewahrung der rechten Lehre und zur Leidensnachfolge aufgerufen. Die Themen sind aber so zusammenhanglos aufgereiht, dass ein sinnvoller Aufbau kaum zu erkennen ist.

Der Titusbrief (Tit.)

orientiert sich stark am 1.Tim. Im Mittelpunkt steht die Gemeindezucht, die im einzelnen am richtigen Verhalten der Amtsträger und Stände exemplifiziert wird (“Die heilsame Gnade Gottes nimmt uns in Zucht, dass wir dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden absagen”, 2,11f.). Wieder wird vor Irrlehrern gewarnt (1,10ff.).

Die Irrlehrer sind offensichtlich in allen drei Pastoralbriefen dieselben: sie “kommen aus der Beschneidung” (sind also ehemalige Juden, Tit.1,10) und predigen das Gesetz, verlieren sich aber gleichzeitig in endlosen Spekulationen, etwa über alttestamentliche Geschlechtsregister (1.Tim.1,4). Dagegen wird nicht argumentiert, sondern zum Einhalten der rechten Lehre aufgefordert, die in der Schrift festgehalten ist (2.Tim.3,16 führt zur Lehre von der Verbalinspiration!). “Der Glaube, der in der paulinischen Theologie so nachdrücklich betont wurde, ist in den Pastoralbriefen zur Rechtgläubigkeit geworden, die als eine unter anderen christlichen Tugenden aufgeführt wird (1.Tim.4,12). Da damit der Glaube seine zentrale Bedeutung eingebüßt hat, ist nicht verwunderlich, dass wieder ganz unbefangen die Forderung nach guten Werken erhoben werden kann” [E.Lohse].

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