Ende des Kirchenjahres (11)

Das Kirchenjahr – Ende des Kirchenjahres

Erleben, dass Erinnerung frei macht

Die letzten Wochen des Kirchenjahres werden als Ende des Kirchenjahres bezeichnet. Der Herbst erinnert uns an die Vergänglichkeit allen Lebens. Besonders der Monat November, wenn es kalt und rauh wird und die Blätter von den Bäumen fallen, veranlaßt uns, über die eigene Endlichkeit nachzudenken.

Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Rainer Maria Rilke

Wir spüren: Auch ich mit meinem Leben gehöre in diesen kreatürlichen Zusammenhang von Werden und Vergehen. Die sterbende Natur und die längeren Nachtstunden erinnern uns an das eigene Sterben, an Abschiednehmen, Hergeben und Trauer. Mehrere Gedenktage am Ende des Kirchenjahres greifen das Vergänglichkeitsthema auf.

Die liturgische Farbe am Ende des Kirchenjahres ist grün. Nur am »»Buß- und Bettag ist sie violett.


Chronik der Sonntage und Gedenktage
Michaelis 29. September
Erntedankfest So. nach Michaelis
Reformationstag 31. Oktober
Allerheiligen / Gedenktag der Heiligen 1. November
Allerseelen 2. November
Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr  
Martinstag 11. November
Vorletzter Sonntag / Volkstrauertag  
Buß- und Bettag Mittwoch
Ewigkeitssonntag, bzw. Totensonntag  

Sonntage und Gedenktage

Allerheiligen
Der Reformationstag (31. Oktober) gilt als typisch evangelisch, das Fest Allerheiligen (1. November), als typisch katholisch. Doch das stimmt nur zur Hälfte, denn Allerheiligen steht am 1. November unter dem Namen ‘Gedenktag der Heiligen’ auch im evangelischen Kirchenkalender. Reformation heißt Umgestaltung, Erneuerung. Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther 95 Thesen an die Schlosskirche in Wittenberg geschlagen haben. Darin kritisiert der Augustinermönch den Ablasshandel seiner Zeit und will eine Disputation über die Bedeutung der Buße anstoßen. Seine erste These sagt, ‘…dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.’ Der Reformationstag hat seinen antikatholischen Charakter verloren. Im ökumenischen Geist gefeiert, kann er daran erinnern, dass die Kirche nie vollkommen und fertig ist, sondern immer der Erneuerung bedarf.

Das Allerheiligenfest entstand um 600 n. Chr., nachdem man nicht mehr jedem Heiligen ein eigenes Fest widmen konnte. Sie werden an diesem Tag in Liedern, Predigten und Schmuck geehrt und um ihre Fürsprache bei Gott gebeten. Allerheiligen ist jahrhundertelang auch von den evangelischen Gemeinden in Deutschland gefeiert worden – so wie noch heute In den skandinavischen Kirchen. Auch Luther hat die Existenz von Heiligen nicht geleugnet. Er hat betont, dass Christen in ihnen ein Vorbild für das eigene Leben sehen sollen.

Allerseelen
Der 2. November, Allerseelen, ist der Gedenktag für alle Verstorbenen. An diesem Tag – vielfach werden die besonders schön geschmückten Gräber schon am Nachmittag des Allerheiligentages besucht – beten gläubige Christen an den Grabstätten ihrer Familienangehörigen und stellen Kerzen auf. Sie erinnern sich an die Worte der Bibel: Es ist gut und heilsam, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden erlöst werden. Kerzen und Blumen wollen uns sagen, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, sondern dass wir mit Christus, dem Auferstandenen, selbst auferstehen; Christus will, dass alle Menschen mit ihm in ewiger Freude leben.

HalloweenKürbis, Kelten und Konsum
Spätestens im Oktober kann man ihnen nicht mehr entgehen, die Invasion der Kürbislaternen beginnt. Geschäfte füllen ihre Regale mit Masken, Kostümen, Schokogeistern und allem Gruseligen, das Gewinn verspricht, In nur wenigen Jahren hat sich die Halloween-Mode auch in Deutschland etabliert.

Das Fest kommt – wie so vieles – aus den USA, ist aber auch dort nur ein Import aus dem 19. Jahrhundert. Der Ursprung von Halloween liegt in Irland: In keltischer Zeit war das Jahr an Saat und Ernte orientiert und endete mit dem Fest Samhain am 1. November. Man glaubte, dass in dieser Zeit des Überganges die Grenze zwischen dem Reich der Lebenden und der Totengeister besonders schmal ist. Um zu verhindern, dass die Geister sich der Lebenden bemächtigten, versuchte man sie durch Masken und Feuer zu erschrecken. Gleichzeitig waren nach der Ernte die Scheunen reich gefüllt. Bedienstete und Kinder durften bei ‚Heischeumzügen’, wie wir sie ähnlich auch aus Deutschland kennen, von Haus zu Haus gehen und um Gaben betteln, sie ‘erheischen’

Beides spiegelt sich in den heutigen Halloween-Feiern. Masken und gruselige Verkleidung erinnern an den Geisterglauben. Der Ruf ‘trick or treat’, mit dem Kinder am Halloween-Abend Süßigkeiten fordern, erinnert an die Bettelumzuge. Aus Irland kommt auch die Kürbislaterne: Der Sage nach kam ein Spitzbube namens Jack wegen seiner Missetaten nicht in den Himmel. Stattdessen muss er die Welt ruhelos mit einer glühenden Kohle in einer Rübe durchstreifen. Aus der Rübe wurde dann in den USA ein ausgehöhlter Kürbis.

Der Name ‘Halloween’ geht auf das Fest Allerheiligen zurück.

Das englische ‚All Hallows eve’ wurde später zu Halloween verballhornt.
Damit könnte die Geschichte ihr Ende finden. Fest und Brauchtum wären eine amerikanische oder gar irische Spezialität geblieben. Was aber ist die besondere Qualität von Halloween, die den Import nach Europa ermöglichte? Die religiösen Elemente sind es nicht. Es gibt vielfältige europäische Traditionen des rituellen Umgangs mit dem Tod, für die Allerheiligen nur ein Beispiel ist. Im Zentrum von Halloween aber steht für die meisten Menschen der Spaß und nicht das Ritual. Der Import von Halloween fiel in eine gesellschaftliche Zeit des Umbruchs. Die Börse boomte, die Elektronikbranche zog in die Kinderzimmer ein, und das Klischee vom gutverdienenden Großstadtsingle nahm in den Medien breiten Raum ein. Vielleicht haben jene Forscher recht, die annehmen, dass in dieser Zeit der gesellschaftlichen Veränderungen Halloween das Bedürfnis der Menschen nach einem neuen, großen, gemeinsamen Fest erfüllte, das den althergebrachten Kalender – und damit die eigentlichen christlichen Feste dieser Tage über den Haufen wirft.

Daneben bewies der Kürbistag noch eine ganz andere Qualität: Es stellte sich heraus, dass sich viel Geld mit diesem gruseligen Abend verdienen lässt.

Neben Ostern und Weihnachten ist Halloween heute der dritte Höhepunkt im Jahr für die Süßwarenindustrie.

Nach der Faschingszeit füllen Verkleidungen und Dekorationen ein weiteres Mal die Regale und sorgen für zusätzlichen Umsatz vor dem Verkauf der Weihnachtsdekoration. ‚Erlebnisintensiver Event’ heißt das in der Spaßgeneration, und es lohnt sich, über dieses Phänomen kritisch nachzudenken, bevor man auf der Welle mitschwimmt.

Die eigentlichen Feste in diesen Tagen bleiben jedoch das Reformationsfest am 31. Oktober und Allerheiligen am 1. November. Sie sind zweifelsohne in ihrer Vorstellungswelt sperriger und können nicht als ‚Events’ vermarktet werden. Dennoch sind sie es wert, bedacht und begangen zu werden.

Sie fordern uns zur Auseinandersetzung mit der Kirche und mit unseren Traditionen auf. Martin Luther wollte, als er seine Thesen anschlug, eine öffentliche Diskussion anregen. Er wollte seine Kritik an der Kirche nicht mit sich allein ausmachen, sondern Missstände anprangern und Traditionen erneuern. Das Reformationsfest stößt an, mit der Kirche zu ringen. Sich nicht abzuwenden, wenn wir mit manchen Inhalten und Traditionen nichts mehr anfangen können, sondern zu streiten und zu verändern. Ähnliches gilt auch für das Allerheiligenfest: Es erinnert an Menschen, die sich eingesetzt und im Namen Jesu besondere Taten vollbracht haben. Menschen, die ein Stück ‘Himmel auf die Erde gebracht’ und gehandelt haben. An sie zu denken stellt uns in eine Tradition, sie können uns zu Vorbildern werden.

Halloween dagegen hat bei uns keine gewachsene Tradition, es ist ein inszeniertes Fest. Am Abend der Masken geht es um das Äußere, die Hülle, Inhalte spielen kaum eine Rolle. Halloween ist einfach zu feiern, gefälliger. Aber damit bleibt es auch ein belangloses Fest, ohne Nachwirkungen.

Nun geht es nicht darum, den Kinder die Freude am Verkleiden, am gruseligen Umherziehen und an den Süßigkeiten zu verderben. Aber die Halloweenfeiern sollten das bleiben, was sie sind, ein netter Spaß. Und der sollte nicht den Blick auf die wirtschaftlichen Interessen verstellen, die im Hintergrund stehen. Im Zweifelsfall kann die Halloween-Party auch nach einem Gottesdienst zum Reformationstag steigen.

Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr
Der drittletzte Sonntag hat das unerwartete Kommen des Reiches Gottes zum Thema. Im Gottesdienst werden als Evangelium Lukas 17,20-24(25-30) und als Epistel Römer 14,7-9 gelesen.

Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr
Im Mittelpunkt steht das Gleichnis vom Weltgericht (Matthäus 25,31-46), das zu der Aussage Jesu hinführt: ‘Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.’ Die Epistel (Römer 8,18-25) und das Wochenlied ‘Es ist gewisslich an der Zeit’ (EG 149) bringen die Sehnsucht der ganzen Schöpfung nach Erlösung zum Ausdruck.

Der vorletzte Sonntag im Kirchenjahr wird in unserem Land als Volkstrauertag begangen.

  • Der Volkstrauertag fordert dazu auf, über die Opfer von Krieg und Gewalt in der Vergangenheit und Gegenwart und angesichts von Unrechtsregimen und Vertreibung öffentlich zu gedenken und über den Gräbern der Toten Versöhnung zu wagen.
  • Er mahnt zu Umkehr und zu Friedensarbeit. Der Friede ist ein vorgeordnetes Gut, denn in einem Krieg gibt es, auch auf der Seite der Sieger, letztlich überall Verlierer und Verlorene. Gewalt wirkt auf allen Seiten und in allen Bereichen zerstörerisch.
  • Es ist eine Frage der Kultur eines Landes, wie die Lebenden mit dem Gedenken an die Opfer von Krieg, Gewalt und Vertreibung und mit den Fragen, die die Toten stellen, umgehen.
  • Indem die Überlebenden oder die nachfolgenden Generationen die Lehren aus der Vergangenheit für die Gegenwart ziehen, geben sie dem millionenfachen Sterben einen letzten Sinn; andernfalls sind sie völlig umsonst gestorben.
  • Der Volkstrauertag will ins Bewusstsein rufen, dass es nicht genügt, Gewalt nur zu ächten; wir müssen mithelfen, sie zu verhindern.
  • Der Volkstrauertag fordert dazu auf, eine Kultur der Gewaltfreiheit, des gewaltfreien Widerstands in Unrechtsregimen zu entwickeln und einzuüben.
  • Der Volkstrauertag mahnt uns, unsere Fähigkeit zum Mitleiden stärker als bisher zu entwickeln.

Buß- und Bettag
Der Buß- und Bettag wird am Mittwoch zwischen den letzten beiden Sonntagen im Kirchenjahr begangen.

Ewigkeitssonntag bzw. Totensonntag
Der letzte Sonntag im Kirchenjahr hat mit ‘Ewigkeitssonntag’ und ‘Totensonntag’ zwei Namen. Der Streit, welche Bezeichnung vorzuziehen sei, ist müßig. Weil der Tod das Tor zur Ewigkeit ist, gehören die beiden Begriffe zusammen. Es ist deshalb gut, wenn dieser Sonntag beide Namen nebeneinander behält. Dieser Sonntag ist übrigens der einzige, der mit grün oder weiß zwei liturgische Farben zur Wahl anbietet, was mit den unterschiedlichen Bezeichnungen des Sonntags zu tun hat.

Katholische Christen feiern am letzten Sonntag im Kirchenjahr das Christkönigsfest. Jesus Christus, der auferstandene Herr, wird auch am Ende der Zeit als Herr und König herrschen und alle Menschen an seiner Königsherrschaft teilhaben lassen, die er im endgültigen Frieden zusammenführt.

In vielen Gemeinden wird am Ewigkeitssonntag der im zurückliegenden Kirchenjahr verstorbenen Gemeindemitglieder gedacht. In einem Gedenkgottesdienst werden die Namen der Verstorbenen verlesen und für jeden eine Kerze angezündet und für sie und ihre Angehörigen gebetet.

Brauchtum

Gräber
Gräber sind Stätten des Erinnerns. Dort ruhen Menschen, die einst bei uns und mit uns gelebt haben,
die uns Wegbegleiter waren, die uns in die andere Welt vorausgegangen sind. Es ist gut, an Gräbern still zu werden und zu gedenken – des Menschen, der dort bestattet ist, und der eigenen Sterblichkeit. Gräber sind heilige Orte.

Kerzen
An den Gräbern katholischer Christen brennen Kerzen.
Die Kerze ist ein Christussymbol.
Am Grab, an der Stätte des Todes, gibt sie Zeugnis vom Glauben an den Gott des Lebens. Der Mensch, der dort bestattet wurde, ist geborgen in Gottes Hand.

So sagt es der Apostel Paulus: ‘Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn’.

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