Das geteilte Reich (6)

Bildungsschatz Bibel

6. Das geteilte Reich
(926-721 v. Chr.)

| 1.Könige 11 – 2.Könige 15 | 2.Chronik. 10 – 27 | Amos | Hosea | Jesaja | Micha |

Teilung des Reiches

Schon bald nach dem Tode Salomos brechen innere Konflikte auf. Das Land wird aufgeteilt:

  • Das Nordreich mit 10 Stämmen wird ‘Israel’ genannt. Jerobeam wird König.
  • Das Südreich aus 2 Stämmen bestehend heißt ab sofort ‘Juda’. Rehabeam wird König.

Die Teilung und Grenzstreitigkeiten schwächen die beiden Staaten. Ägypter fallen im Süden ein, Aramäer von Damaskus im Norden. Philister, Moabiter und Edomiter schütteln die jüdische Herrschaft ab.

Ende des Nordreiches

Etwa um die Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. etabliert sich mit Tiglatpileser III im Zweistromland das Neuassyrische Reich und breitet sich innerhalb kürzester Zeit bis Ägypten aus. Die Kleinstaaten können sich nur durch Tributzahlungen der Vernichtung entziehen.

Der Nordteil (Israel) jedoch will sich in einem anti-assyrischen Bündnis behaupten. Tiglatpilesers Sohn, Salmanassar V, erobert daraufhin Israel (ca 722). Viele Einwohner Israels werden nach Mesopotamien verschleppt. Im Gegenzug dazu werden Einwohner aus anderen Teilen des Neuassyrischen Reiches in ‘Israel’ angesiedelt. Der Südteil (Juda) mit Jerusalem als Hauptstadt bleibt erhalten.

Der Prophet Amos

ist der erste Gerichtsprophet, dessen Worte in schriftlicher Form erhalten sind. Er hat in einer Phase, in der alles zum Besten bestellt schien (ca 760), das Nordreich mit seiner scharfen Sozial-, Gesellschafts- und Kulturkritik aufrütteln wollen. Vergeblich.

Motiv: Kehrt um!

Der Mensch hat nach der Bibel die Möglichkeit sich radikal zu ändern. Er kann sich von Gott und seinen Mitmenschen abkehren, sich ihnen aber auch zuwenden.

Die Propheten fordern Volk und König auf, sich Gott und seinen Geboten zu unterwerfen. Meist vergeblich. Der Untergang des Nordreiches und später das Exil in Babylon sind die Folge. Die biblischen Schriftsteller interpretieren die Katastrophe als Strafe Gottes.
Auch Jesus fordert zur Umkehr auf. Jedoch wird diese als völlige Neuorientierung, als ‘Neugeburt’ gesehen. Dabei kommt er uns entgegen: “Ich will Euch ein anderes Herz geben und einen neuen Geist geben.” (Hesekiel 11,19) »»

Das Umkehrmotiv ist eines der positivsten Motive, von dem ein Leben bewegt sein kann. Denn es sagt: Du magst immer wieder scheitern, aber du kannst immer wieder auch neu anfangen. Menschen sind nicht für immer festgelegt auf ihr Fehlverhalten.

Prophetie im Alten Testament

Ursprung: Prophetie hat es auch außerhalb Israels gegeben. So wird in Num 22-24 von Bileam berichtet, der vom Euphrat stammt; Elia setzt sich mit 450 Baalspropheten und 400 Propheten der Aschera auseinander, die sich in Ekstase versetzen (1.Kön.18). Dieses Ekstatikertum finden wir auch in Israel. In diesem Zusammenhang ist immer wieder vom “Geist Gottes” die Rede, der diese Menschen geradezu überfällt und in Bewegung setzt (1.Kön.2,16). Das befremdliche Auftreten dieser Propheten hat allerdings auch dazu geführt, dass sie von vielen verspottet wurden (Hos.9,7). Daneben gab es am Tempel Kultpropheten, die auf Klagegebete im Namen Gottes Erhörung oder Ablehnung verkündigten und natürlich immer in der Gefahr standen, ihren Auftraggebern nach dem Munde zu reden (Jes.28,7, vgl.2.Kön.22).

Vielleicht liegt es daran, dass Amos die Bezeichung Prophet für sich ablehnt (7,14). Stattdessen verwenden die Schriftpropheten häufig die Bezeichnung “Seher” (1.Sam.9,9; Am.7,12; Jes.30,10). Charakteristisch für sie ist:

  • Sie erfahren Gott nicht durch Ekstase, sondern durch Visionen (Jes.6, Am.7-9)
  • Sie beobachten sehr genau das Zeitgeschehen und nehmen Stellung nicht nur zu religiösen, sondern auch zu politischen und sozialen Fragen (Am.1+2; Jer.29)
  • Sie wenden sich an das ganze Volk und sprechen im Namen Gottes (“So spricht der Herr”: Jer.22,3; Ez.12,3).
  • Sie treten als Einzelgänger auf und werden aufgrund ihrer kompromisslosen Verkündigung häufig verfolgt und zum Schweigen gebracht (Jer.26,23. “Du tötest deine Propheten, Jerusalem,” sagt Jesus in Mt.23, 37).
  • Bis zum Babylonischen Exil ist die Verkündigung der Schriftpropheten vom Ruf zur Umkehr und von der Ankündigung des Gerichtes Gottes bestimmt; nachdem die Katastrophe Wirklichkeit geworden ist, steht die Heilsverkündigung im Vordergrund (Jes.40 / 60).

Zur zeitlichen Einordnung der Propheten:

  • In der Königszeit treten die frühen Propheten Nathan, Ahia, Micha Ben Jimla, Elia und Elisa auf. Sie wenden sich mit ihrer Botschaft meist an den König und scheuen sich auch nicht, ihn zu kritisieren (2.Sam.12, 1.Kön.18). Ihre Taten und Botschaften sind zunächst nur mündlich überliefert worden und haben später Eingang in das deuteronomistische Geschichtswerk (1./2.Sam.; 1./2.Kön.) gefunden. »»
  • Seit 760 v.Chr. sammelte man die Worte der “Schriftpropheten” und gab sie als Bücher heraus. Dass sie später als Heilige Schrift anerkannt wurden, ist auch darauf zurückzuführen, dass sich ihre Gerichtsbotschaft in der Zwischenzeit mit dem Ende des Nordreichs und der Babylonischen Gefangenschaft erfüllt hatte. Die Schriftpropheten lassen sich zeitlich grob so einteilen:
  • 8.Jahrhundert v.Chr. (Vordringen der Assyrer): Amos und Hosea im Nordreich, Jesaja und Micha in Juda »»
  • 7./6.Jahrhundert v.Chr. (Entstehung des Neubabylonischen Reiches bis Anbruch des Exils): Nahum, Habakuk, Zephanja, Jeremia »»
  • 6.Jahrhundert v.Chr. (Babylonisches Exil): Obadja, Ezechiel, Deuterojesaja (Jes.40-55) »»
  • 5./4.Jahrhundert (nachexilisch): Sacharja, Haggai, Maleachi, Joel, Tritojesaja (Jes.56-66). »»

Amos

Auftreten:
ca.760 v.Chr. im Nordreich, unter anderem am Heiligtum in Bethel (Regierungszeit Jerobeams von Israel und Usias von Juda, vgl.Hosea!)
Person:
Schafzüchter und Maulbeerfeigenzüchter aus Thekoa in Juda (Am.1,1; 7,14)

Verkündigung:
  • Gott wird Israel, Juda und die Heidenvölker für Kriegsverbrechen, soziale Ungerechtigkeit und Götzendienst bestrafen (Am.1-2)
  • Sozialkritik: Reiche leben im Luxus (4,1), Arme werden mit hohen Abgaben belastet (5,11), Bestechlichkeit der Richter (5,12)
  • Kultkritik: Der Gottesdienst ist sinnlos, wenn nicht gleichzeitig für Gerechtigkeit gesorgt wird (5,21-24)
  • In fünf Visionen wird das Gericht Gottes angekündigt: Ende des Königshauses Jerobeam, Kriegsgefangenschaft, Israel wird “unter die Heiden geschüttelt” (9,9)
  • Erst danach wird Gott (vielleicht) einem Rest gnädig sein (5,15; 9,1-15).
Wichtige Texte:
 1 - 2:       Völkersprüche
 3, 3-8:      Begründung des prophetischen Auftretens
 4 - 5:       Kult- und Sozialkritik
 7,1 - 9,10:  Visionen  (7,10-17: Biographischer Bericht)
 9, 11-15:    Heilsweissagung

Hosea

Auftreten:
ca.750-721 im Nordreich (Samaria und Bethel)
Zeit:
Nach der langen und von Wohlstand geprägten Regierungszeit Jerobeams II (787-747 v.Chr.) erlebt Israel einen ständigen Wechsel von Königen, wobei vier von sechs Machthabern umgebracht werden (“Sie machen Könige, aber ohne mich,” Hos.8,4). 721 v.Chr. wird das Nordreich von den Assyrern erobert und die Oberschicht deportiert (2.Kön.15,29) »» .
Verkündigung:
Zum Zeichen für Israels Untreue gegen Gott nimmt Hosea eine Ehebrecherin zur Frau und nennt die Kinder “Jesreel”(zur Erinnerung an die Ermordung von 70 Söhnen Ahabs durch Jehu), “Nicht-mein-Volk” und “Kein Erbarmen” (Hos.1). Der Prophet klagt besonders über den Baalskult und die Übertretung von Geboten (4,2) und kündigt die Deportation an (“Sie sollen unter den Heiden umherirren,” 9,17). Eine sachliche Anordnung der aneinandergereihten Prophetenworte ist schwierig.
Wichtige Texte:
 1:           Hoseas Ehe und Kinder
 4 - 6  + 9:  Gerichtsworte gegen die Oberen und das Volk
 14 :         Aufruf zur Umkehr

Jesaja

Auftreten:
Zur Zeit der Könige Usia, Jotham, Ahas und Hiskia im Südreich Juda,
ca. 745 – 701 v.Chr. Die Thronvision Jes.6 stellt vermutlich sein Berufungserlebnis dar, das zeitlich mit dem Regierungsantritt Tiglatpilesers III von Assyrien zusammenfällt. Die Verkündigung Jesajas ist in Jes.1-39 zu finden (s.Deuterojesaja!).
Person:
Vermutlich Bürger von Jerusalem; sein freier Umgang mit dem König (2.Kön.19,5ff.)»» lässt auf vornehme Herkunft schließen; dass er Priester am Tempel war, lässt sich an keiner Stelle belegen. Verheiratet; zwei seiner Kinder tragen Symbolnamen, die im Dienst seiner Verkündigung stehen: “Raubebald-Eilebeute” und “Ein-Rest-kehrt-um” (Jes.7,3; 8,3).

Verkündigung:
  • Gerichtsbotschaft: Ähnlich wie Amos wirft Jesaja Juda und Israel vor, das Gottesrecht nicht gehalten zu haben (Kult- und Sozialkritik: Jes.1,10-17; 5,1-23). Darum hat Gott die Assyrer als Werkzeuge seines Gerichts herbeigeholt, und sie werden das Land verwüsten und die Bevölkerung deportieren (5,26; 6,11f.). Der Auftrag Jesajas ist auch nicht, das Volk Gottes zu warnen, sondern es zu verstocken (6,10): das Gericht ist beschlossene Sache. Auf der anderen Seite ruft Jesaja immer wieder zum Glauben auf: “Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht” (7,9). Am Ende wird ein Rest umkehren und gerettet werden (10,21).
  • Heilsbotschaft: Nachdem die Assyrer auch Juda besetzt haben, ändert sich die Verkündigung Jesajas. Die Assyrer sind zu weit gegangen, Gott wird sie bestrafen (30,27-33). In der eschatologischen (=endzeitlichen) Heilsbotschaft des Propheten spielen zwei Stichworte eine besondere Rolle: Der Zion und der Gesalbte.

    Der Zion, der Tempelberg in Jerusalem, wird auch unter dem Ansturm der Völker nicht zusammenbrechen; er ist der Sammelpunkt der Erlösten, die aus dem Exil zurückkehren (35,10); er wird sogar zum Wallfahrtsort für die alle Heiden werden (2,1-4).

    Der Gesalbte (hebr.maschiach = Messias) wird ein Gottesreich errichten, das die ganze Welt einbezieht und “schalom”, endgültigen Frieden, bringt. Obwohl er als Nachfahre Davids vorgestellt wird, ist er nicht nur weltlicher König, sondern gleichzeitig Träger des Geistes Gottes (9,1-6; 11,1-9).

“Die Verkündigung Jesajas ist das gewaltigste theologische Phänomen des ganzen Alten Testamentes” (G.v.Rad).

Micha

Auftreten:
Zur gleichen Zeit wie Jesaja (2.Hälfte des 8.Jahrhunderts) in Juda
Person:
Prophet aus Moreseth (Jer.26,18!), nicht zu verwechseln mit Micha Ben Jimla (1.Kön.22)
Verkündigung:
Ähnlich wie Jesaja kündigt Micha nach dem Gericht einen endzeitlichen Herrscher an, der allerdings nicht aus Jerusalem kommt, sondern (wie David) aus Bethlehem (5,1). Jerusalem wird damit aus der Heilsgeschichte entfernt: “Der Zion wird zum Acker umgepflügt, Jerusalem zum Steinhaufen” (3,12).
Scroll Up